Die politische Kriminalität in Brandenburg ist im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 52,5 Prozent gestiegen. Das sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen heute in Potsdam. Er informierte gemeinsam mit dem amtierenden Polizeipräsidenten Roger Höppner über die Statistik für die politisch motivierte Kriminalität (PMK) für das Jahr 2019. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in Brandenburg 2.978 Delikte politisch motivierter Kriminalität erfasst (2018: 1.953).
Innenminister Michael Stübgen: „Politisch motivierte Straftaten sind Taten gegen Andersdenkende. Es sind Straftaten, die sich gegen unser demokratisches Prinzip richten und unser freies und soziales Zusammenleben angreifen. Der bedauerliche Rekord an politisch motivierter Kriminalität, den wir 2019 zu verzeichnen hatten, zeigt wie gespalten unsere Gesellschaft an ihren Rändern mittlerweile ist. Hetzer von Rechts und Links versuchen diesen Spalt immer tiefer in unsere Gesellschaft zu treiben. Dem werden wir noch viel deutlicher Einhalt gebieten als zuvor. Wir werden den Feinden unserer Demokratie nicht nachgeben. Wir werden den Extremisten mit aller Härte entgegentreten. Es gibt kein Pardon für Rechtsextremisten, es gibt kein Pardon für Linksextremisten und es gibt kein Pardon für religiöse Fanatiker. Wir arbeiten intensiv an neuen Konzepten und besseren Maßnahmen gegen alle politischen Extremisten. Unser Engagement wird bald erste Ergebnisse zeigen.“
Amtierender Polizeipräsident Roger Höppner: „Auch wenn die politisch motivierten Gewaltdelikte im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen sind, ist die Gesamtentwicklung der politisch motivierten Kriminalität besorgniserregend. Positiv ist, dass die Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft unter anderem im April des letzten Jahres in Cottbus, zu einem spürbaren Rückgang der rechtsmotivierten Kriminalität vor allem in diesem Raum geführt haben. Der Anteil fremdenfeindlicher Straftaten hat sich allerdings in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht. Besondere Sorge bereiten mir auch Bedrohungen und Beleidigungen in Form von Hasspostings im Internet, die sich insbesondere gegen Politiker und ehrenamtliche Mandatsträger richten. Die Brandenburger Polizei hat darauf unmittelbar reagiert und neben Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auch eine zentrale Ansprechstelle für Betroffene eingerichtet. Gerade in diesem Punkt ist jedoch auch die Gesellschaft gefragt, um sich hinter jene zu stellen, die sich in der Öffentlichkeit für die Belange aller einsetzen.“
Insgesamt betrachtet liegt das Fallzahlenaufkommen im Jahr 2019 im Land Brandenburg deutlich über dem Vorjahresniveau und stieg um 1.025 auf 2.978 Fälle an (+ 52,5 Prozent). Das ist seit der Einführung des Definitionssystems PMK im Jahr 2001 das absolut höchste Fallzahlaufkommen. Die Hauptursache für diese Entwicklung sind die politisch motivierten Straftaten, die im Zusammenhang mit der Europa-und Kommunalwahl sowie der Landtagswahl in Brandenburg stehen. Im Einzelnen ist für das Jahr 2019 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 folgende Entwicklung in den verschiedenen Bereichen festzustellen:
PMK rechts: Anstieg um 370 Fälle (+ 23,7 %),
PMK links: Anstieg um 345 Fälle (+ 181,6 %),
PMK religiöse Ideologie: Rückgang um sechs Fälle (- 23,1 %).
PMK ausländische Ideologie: Rückgang um drei Fälle (- 20,0 %)
PMK nicht zuzuordnen: Anstieg um 319 Fälle (+ 199,4 %),
Insbesondere in den Phänomenbereichen PMK -links- und PMK -nicht zuzuordnen- ist der Fallzahlenanstieg auf die sogenannten Wahlstraftaten zurückzuführen (330 bzw. 323 Straftaten).
Aufklärungsquote gesunken
Die Aufklärungsquote ist im Jahr 2019 insgesamt fallend. 47,7 Prozent aller im Jahr 2019 registrierten Straftaten wurden aufgeklärt (2018: 58,4 %). Dies begründet sich in der niedrigen Aufklärung im Bereich der sogenannten Wahlstraftaten (26,3 %). Die Aufklärungsquote im Bereich der Gewaltkriminalität liegt dagegen mit 77,2 Prozent leicht über dem Niveau des Vorjahres (2018: 75,8 %).
Erneuter Rückgang bei Politisch motivierten Gewaltdelikten
Insgesamt ist bei den politisch motivierten Gewaltdelikten ein erneuter Rückgang um 19,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen und zwar um 30 auf 127 Fälle (2018: 157). Bei den politisch rechts motivierten Gewaltstraftaten sank die Zahl um 26,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr um 33 Fälle auf 90 Fälle (2018: 123). Die politisch links motivierten Gewaltstraftaten sind um 33,3 Prozent auf 24 Fälle angestiegen (2018: 18).
Deutlicher Anstieg bei der Politisch motivierten Kriminalität
Der deutliche Anstieg bei der Politisch motivierten Kriminalität muss im Zusammenhang mit dem Wahljahr 2019 gesehen werden. Im Berichtszeitraum wurden im Begründungszusammenhang mit der Europa- und Kommunalwahl sowie der Landtagswahl 840 Straftaten registriert.
Die politisch rechts motivierte Kriminalität ist im vergangenen Jahr um 23,7 Prozent gestiegen. 1.932 Fälle wurden insgesamt erfasst, das sind 370 Fälle mehr als im Vorjahr (2018: 1.562). Die links motivierte Kriminalität stieg deutlich um 345 auf 535 Fälle an (2018: 190). Das entspricht einen Anstieg um 181,6 Prozent.
Auf weiter niedrigem Niveau bewegt sich die politisch motivierte Ausländerkriminalität. Sie ist um 22,0 Prozent auf 32 Fälle zurückgegangen (2018: 41 Fälle).
479 Straftaten konnten im vergangenen Jahr nicht klar einem bestimmten Phänomenbereich zugeordnet werden (2018: 160). Es gab einen Anstieg um 319 Fälle (+ 199,4 %.)
Fremdenfeindlichkeit spielt bei rechter Gewalt dominierende Rolle
Die Gewaltkriminalität im Bereich der PMK rechts ist von fremdenfeindlichen Delikten geprägt. Bei 73 Delikten (81,1 %) war dies das tatauslösende Motiv. Bezüge zum Themenfeld „Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus“ wurden in sieben Fällen und zum Themenfeld „Konfrontation/Politische Einstellung – gegen links“ in vier Fällen festgestellt. Zwei politisch motivierte Gewaltstraftaten mit antisemitischen Bezügen waren zu verzeichnen. Insgesamt wurden 90 rechten Gewaltstraftaten im Jahr 2019 gezählt. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 33 Fälle (- 26,8 %).
Deutlicher Rückgang bei Angriffen auf Asylbewerberheime
Insgesamt ist bei Straftaten mit dem Angriffsziel „Asylbewerber/Flüchtlinge“ im Phänomenbereich PMK -rechts- ein Anstieg um 19 auf 252 Fälle (+ 8,2 %) zu verzeichnen, wobei im Bereich der Gewaltkriminalität auch in diesem Teilbereich der Politisch motivierten Kriminalität ein erheblicher Rückgang festzustellen ist. 2018 wurden 80 Gewaltdelikte registriert, im Berichtszeitraum sind es 50 Fälle (- 37,5 %). Der rückläufige Trend trifft auch auf die Angriffe gegen Asylunterkünfte zu. Auf dem „Höhepunkt der Flüchtlingskrise“ im Jahr 2016 wurden 72 derartiger Straftaten vermeldet. 2017 und 2018 waren es 19 bzw. fünf und im Jahr 2019 sind drei Fälle registriert worden.
Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerber bzw. Flüchtlinge ist nach wie vor auf einem besorgniserregenden Stand. Im Jahr 2019 wurden 252 derartige Fälle registriert (2018: 233). Die Anzahl der Gewaltdelikte in diesem Teilbereich der PMK -rechts- liegt mit 50 Straftaten unter dem Niveau des Vorjahres (2018: 80).