„Jetzt ist man beschämt.“

Opfer einer falschen Polizistin berichten

Überregional

Kategorie
Vorbeugen und Schützen
Datum
02.09.2020

Flyer_Falsche Polizisten Wiederholt und in regelmäßigen Abständen warnt die Polizeidirektion West vor sogenannten „falschen Polizisten“ und deren Betrügereien, mit denen skrupellose Täter oftmals ältere Leute um ihr hart Erspartes bringen. Trotz der breit gestreuten Informationen zu diesem Thema, der Präventionsveranstaltungen und Medienberichte passiert es immer wieder, dass falsche Polizisten erfolgreich sind und mit viel Bargeld oder Wertsachen von dannen ziehen, ehe die „echte Polizei“ überhaupt davon erfährt.

Über 1000 Betrugsversuche von sogenannten „falschen Polizisten“ wurden von August 2019 bis August 2020 im Bereich der Polizeidirektion West gezählt. Achtmal waren die Täter erfolgreich. Der Wert der Beute liegt dabei insgesamt bei mehr als 280.000 Euro. Nicht immer werden Betrugsversuche auch angezeigt. Auch wenn die „Erfolgsquote“ scheinbar gering ist, so ist der Schaden bei den Opfern immens. Sowohl finanziell als auch oft seelisch. Daher ist es Ziel der Polizeidirektion West, weiter intensiv über die Betrugsmasche aufzuklären, um zu verhindern, dass die Täter wieder Beute machen.

Unter den Opfern der Betrugsmasche sind auch Klaus-Dieter Seidel* und seine Lebensgefährtin Corinna Dietrich* aus Potsdam. Der 83-Jährige ehemalige Techniker wurde im April 2020 von einer falschen Polizistin um mehrere Zehntausend Euro Bargeld betrogen. Um andere Bürgerinnen und Bürger davor zu bewahren, sprachen beide mit Stefanie Wagner-Leppin von der Pressestelle der Polizeidirektion West über das einschneidende Erlebnis. Dem Paar standen dabei immer wieder Tränen in den Augen.

S. Wagner-Leppin: Herr Seidel, Frau Dietrich, was ist Ihnen passiert?

K.-D. Seidel: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe versucht, so weit wie möglich alles zu verdrängen. Ich konnte die Tage danach nachts kaum schlafen. Ich war derart geschockt, vor allem, dass uns beiden – meiner Lebensgefährtin und mir - das passiert ist. Ich war ja nicht einmal allein zuhause. Wir sind ja beide darauf reingefallen. Der Anruf kam an einem Montagabend. Meine Lebensgefährtin war gerade mit dem Abwasch beschäftigt. Die Telefonnummer wurde nicht angezeigt – sie war unterdrückt. Und es war eine Frau am Telefon und sie sagte, sie sei von der Polizei und stellte sich als Frau Weber vor.

C. Dietrich: Wir hatten das Telefon auf Lautsprecher-Funktion gestellt und die Frau sagte uns auch eine genaue Abteilung der Polizei und ein Aktenzeichen, das es – das wissen wir jetzt – gar nicht gibt. Aber das klang in dem Moment alles so plausibel. Sie sagte dann, man habe eine Aktentasche gefunden mit einer Adressliste drin, auf der unsere Adresse auch draufstand. Angeblich wäre im Wohngebiet eine Verbrecherbande unterwegs und zwei Täter hätten sie schon gefasst. Die anderen beiden sollen nun unsere Adresse im Visier haben.

K.-D. Seidel: Die Frau wusste sogar private Dinge von mir, wo ich früher gewohnt habe zum Beispiel. Anscheinend hatte man sich schon im Internet über mich erkundigt. Sie fragte dann, wie viel Bargeld ich zuhause hätte, auf das es die Verbrecher möglicherweise abgesehen haben könnten. Sie hat dann gesagt, dass ein verdeckter Ermittler das Geld abholt und sie es dann sichern und zählen würden. Ich hab es dann geholt und ging damit nach draußen. Als ich den Mann sah, der sich mir gegenüber nicht ausweisen konnte, kamen mir Zweifel an dieser Sache und ich dachte: Hier stimmt doch was nicht!

S. Wagner-Leppin: Wann kam der Moment, in dem Sie doch überzeugt waren, dass die Sache ihre Richtigkeit hat?

K.-D. Seidel: Ich habe ihm das Geld in dem Moment nicht gegeben und bin ins Haus zurückgegangen. Dort fragte meine Lebenspartnerin die Dame am Telefon, wie wir sicher sein können, dass sie wirklich von der Kripo sei. Sie meinte, es wäre unser gutes Recht uns zu vergewissern, sie hat mich dazu regelrecht gedrängt. Das war ja das perfide. Dann – da bin ich mir ganz sicher – habe ich auf den roten Knopf am Telefon gedrückt und aufgelegt. Danach haben wir die 110 gewählt.

Dort meldete sich dann ein Mann und sagte „Hier Zentrale der Kripo, wie kann ich ihnen helfen?“. Wir baten mit Fr. Weber verbunden zu werden und wurden mit der Dame tatsächlich wieder verbunden. Das hat uns in dem Moment überzeugt. Wir hatten wirklich den Eindruck, mit einer Polizistin zu sprechen. Und ich verstehe bis heute nicht, wie das gehen konnte, dass wir wieder bei ihr gelandet sind. Es war alles sehr professionell. Es muss doch irgendeine Fangschaltung gewesen sein. Wie kann es sonst sein, dass solche Leute die Leitung von Privatpersonen so manipulieren, dass mit dem Festnetz nicht nach außen telefoniert werden kann? Darum sollte man diese Leute vielleicht unter einem Vorwand bitten am Telefon zu bleiben und wenn möglich mit dem Handy aus einem anderen Zimmer die Polizei anrufen.

S. Wagner-Leppin: Sie haben das Geld nach der vermeintlichen Rücksprache dann doch draußen bereitgelegt und gingen zurück in die Wohnung. Die unbekannte Frau war die gesamte Zeit am Telefon. Wann wurde Ihnen klar, dass sie doch betrogen wurden?

C. Dietrich: Die Frau erzählte uns dann, dass sie das Geld jetzt hat und dass es jetzt gezählt wird. Und sagte dann auch, dass sie mittlerweile die beiden flüchtigen Täter geschnappt haben. Dann hieß es, dass ein verdeckter Ermittler uns das Geld noch am selben Abend zurückbringt und gab uns eine Telefonnummer, wo wir uns melden sollen, falls etwas nicht klappt. Aber es kam niemand. Und als wir dann die angegebene Telefonnummer anriefen, hatte ich tatsächlich einen Polizisten am Telefon, der mir sofort sagte, dass wir betrogen wurden.

S. Wagner-Leppin: Wie ging es ihnen in dem Moment?

K.-D. Seidel: Furchtbar. Einfach ganz furchtbar.

C. Dietrich: Wir waren beide fassungslos. Das ist wirklich ein Alptraum.

K.-D. Seidel: Ich mache mir ja immer noch den Vorwurf, dass ich darauf hereingefallen bin, obwohl ich vorher darüber schon gelesen hatte.

S. Wagner-Leppin: Und wie geht es Ihnen heute?

K.-D. Seidel: Wir haben beide noch sehr damit zu kämpfen. Ich bin misstrauischer geworden und auch vorsichtiger. Zu Anfang bin ich schweißgebadet wach geworden und habe die Wohnung durchsucht, weil ich Sorge hatte, dass die Täter vielleicht wiederkommen und einbrechen könnten.

C. Dietrich: Wir haben danach auch die Wohnung sicherer gemacht. Das hatten wir zwar schon lange geplant aber dann gleich umgesetzt. Mich nimmt das auch immer noch sehr mit. Aber ich habe mich versucht abzulenken, um nicht immer wieder daran zu denken.

S. Wagner-Leppin: Sie haben eine fünfstellige Summe Bargeld verloren. Wie schwer wiegt für Sie dieser finanzielle Verlust?

K.-D. Seidel: Es ist ein bitterer Verlust. Das Geld war eigentlich für einen guten Zweck vorgesehen. Im Endeffekt fehlt dort jetzt dieses Geld und das schmerzt mich sehr.

S. Wagner-Leppin:  Kannten Sie diese Art des Trickbetrugs?

K.-D. Seidel: Ich wusste aus der Zeitung, dass es Leute gibt, die sich als Polizisten ausgeben und Menschen um ihr Geld bringen und deshalb war ich ja so skeptisch. Und dann bin ich trotzdem in dieselbe Falle getappt. Das ärgert mich so. Ich habe auch mit niemandem in meiner Bekanntschaft darüber gesprochen. Ich habe Angst, dass man denken könnte, ich bin ‚nicht mehr ganz richtig im Kopf‘. Da wird man sehr schnell in eine Schublade geschoben, in die man aber gar nicht passt. Wer noch nicht in der Situation war, kann das vermutlich gar nicht nachvollziehen, wie man darauf hereinfallen kann. Ich hatte wirklich den Eindruck, ich spreche mit der Kriminalpolizei. Während des Gesprächs waren ja sogar Bürogeräusche zu hören. Die Frau hatte eine ganz ruhige Art. Sie hat psychologisch so auf uns eingewirkt, dass sie mit ihren Fragen und Anweisungen echt wirkte. Ich habe ja bisher auch über die Leute, die darauf hereinfallen, gedacht: ‚Wie kann man nur!‘ Und jetzt ist man beschämt. Jetzt ist mir das passiert.

C. Dietrich: Ich hatte ja auch schon von den falschen Polizeibeamten gehört, die an der Tür klingeln. Aber diese Art des Telefonbetrugs kannte ich nicht.

S. Wagner-Leppin: Was möchten Sie anderen Menschen raten, die eventuell in eine ähnliche Situation geraten könnten?

K.-D. Seidel: Heutzutage grundsätzlich misstrauisch sein. Gerade wenn es um Geld geht. Wir leben in einer anderen Welt als ich sie kennen gelernt habe. Mit so viel Raffinesse. Da muss man leider misstrauisch sein. Und ich ärgere mich heute noch, dass ich die „richtige Polizei“ nicht über das Handy angerufen habe. Dann wäre das vielleicht anders ausgegangen und man hätte möglicherweise sogar jemanden schnappen können.

Ermittlungen der Kriminalpolizei ergaben, dass das über fast drei Stunden andauernde Telefongespräch zwischen Klaus-Dieter Seidel* und der vermeintlichen Polizistin nie unterbrochen wurde. Die Kriminalpolizei geht davon aus, dass die Täter ein Freizeichen simulieren und die Angerufenen dann zwar glauben, dass sie aufgelegt haben, die Verbindung jedoch weiterhin besteht. Dass eine Telefonverbindung zum Notruf der Polizei auf diese Weise gar nicht zustande kommt, fällt den Opfern in der Stresssituation meist nicht auf. Die von Klaus-Dieter Seidel* vermutete technische Manipulation des Telefonanschlusses ist zwar grundsätzlich vorstellbar, konnte aber in der Realität noch nicht nachgewiesen werden.

*Namen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert

 

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