Zahl der Straftaten und Gewaltkriminalität in Brandenburg auf bisherigem Tiefststand

Potsdam

Überregional

Kategorie
Kriminalität
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Datum
29.02.2012

In Brandenburg registrierte die Polizei im vergangenen Jahr die bisher geringste Zahl an Straftaten seit der ersten Vergleichsstatistik 1994. Mit 197.664 Delikten weist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Land erstmals weniger als 200.000 Fälle aus. Das war gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 6.646 Straftaten bzw. 3,3 Prozent. „Der langjährige Trend eines Rückgangs der Kriminalität setzt sich damit fort. Erfreulicherweise gibt es auch ein deutliches Minus an Gewaltdelikten, die verständlicherweise besonders beunruhigen“, wie Innenminister Dietmar Woidke bei seiner heutigen gemeinsamen Bilanzpressekonferenz mit Polizeipräsident Arne Feuring zur aktuellen Kriminalitätsentwicklung betonte. Insgesamt sprach Woidke von einer „durchwachsenen Bilanz“ für 2011 mit „auffällig gegenläufigen Trends“.

500 Gewaltstraftaten weniger als im Vorjahr

Zu den positiven Punkten gehöre zweifellos die Tatsache, dass Brandenburg bei krimineller Gewalt zu den sichersten Ländern gehört. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der Gewaltstraftaten, zu denen unter anderem Tötungsdelikte, Körperverletzungen und Raubstraftaten, aber auch jede Vergewaltigung und jede sexuelle Nötigung gehören, um 500 Straftaten bzw. knapp zehn Prozent ab. Bereits im Vorjahr habe Brandenburg beim Verhältnis von Gewaltdelikten und Einwohnerzahl nach Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und Thüringen die geringste Belastung aufgewiesen. Auf eine ähnlich gute Einordnung setzte man auch beim noch ausstehenden Länder-Vergleich für 2011.

Woidke ging vor der Presse auch ausführlich auf die politisch motivierte Gewaltkriminalität im Land ein. „Für die Entwicklung in diesem Bereich interessiert sich die Öffentlichkeit aus guten Gründen ganz besonders. Zumal mit dem bekannt gewordenen NSU-Terror rechtsextremistische Gewalt hierzulande eine zuvor unvorstellbare Dimension erreicht hat“, unterstrich der Innenminister. Umso bedeutsamer sei es, dass sich der langjährige Rückgang rechter Gewaltdelikte in Brandenburg deutlich fortgesetzt hat.

Rechte Gewalt weiter rückläufig – Polizei bleibt wachsam

 „Unsere Staatsschutzkommissariate mussten zu 36 neuen rechten Gewaltstraftaten ermitteln. Das waren immer noch viel zu viel, aber immerhin 30 weniger als im Jahr zuvor. Das ist ein gutes Signal nicht zuletzt für all diejenigen, die sich als Bürger aktiv gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren“, sagte Woidke. Auch wenn es noch nie weniger rechte Gewaltdelikte in Brandenburg gab, gebe es keinerlei Grund zur Entwarnung. „Unsere Polizei wird keinen Deut an Wachsamkeit und Konsequenz nachlassen. Dafür besteht angesichts der Erkenntnisse über die rechtsextremistische Szene keinerlei Anlass“, kündigte Woidke an.

Die Zahl linksmotivierter Gewaltdelikte ging von 30 auf 25 zurück, die Gesamtzahl von Delikten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) verringerte sich ebenfalls leicht von 1.466 auf 1.410 Fälle. Allein 1.140 davon zählen zum Bereich der rechtsmotivierten PMK. Bei fast zwei Dritteln aller politisch motivierten Straftaten handelte es sich um sogenannte Propagandadelikte.

Zur ‚Positiv-Seite’ der Kriminalitätsbilanz für das vergangene Jahr gehört nach den Worten Woidkes ebenso die weiter abnehmende Jugendkriminalität im Land. „Entscheidend ist hier, dass wir zwölf Prozent weniger junge Tatverdächtige hatten. Das ist ein guter Trend, dessen Fortsetzung breit unterstützt werden muss“, forderte Woidke.

Kriminalitätsbilanz mit Problemfeldern

Ausführlich ging der Innenminister bei seinem Rück- und Ausblick auf die Arbeit der Polizei zur Vorbeugung und Bekämpfung von Kriminalität auch auf Problembereiche ein. Dazu gehöre trotz rückläufiger Fallzahlen die im Vergleich immer noch hohe Kriminalitätsbelastung. Gradmesser sei die sogenannte Häufigkeitszahl, die über die Zahl der erfassten Straftaten pro 100.000 Einwohner Auskunft gibt. Brandenburg habe 2011 die Zahl zwar nach 2009 zum zweiten Mal auf unter 8.000 verringern können, sei aber 2010 das kriminalitätsbelastete Flächenland gewesen, woran sich auch nach Eingang der anderen aktuellen Länderzahlen vermutlich nicht viel ändern werde. „Mit dieser Situation können und werden wir uns nicht abfinden“, bekräftigte Woidke.  

Problem sinkende Aufklärungsquote

Eine zentrale Rolle für notwendige Verbesserungen spielt laut Woidke die im vergangenen Jahr rückläufige Aufklärungsquote der Polizei, die sich auf nur noch 51 Prozent (2010: 54 Prozent) und damit den niedrigsten Stand seit 1997 verringerte.

„Probleme mit der Aufklärungsquote haben wir – aus unterschiedlichen Gründen – nicht erst seit dem letzten Jahr, sondern im Grunde schon seit 2008. Jedenfalls sind wir von den guten Aufklärungsquoten der Jahre 2004-2006 mit über 58 Prozent derzeit weit entfernt. Im langjährigen Vergleich liegt die Aufklärungsquote damit etwa auf dem Niveau der Jahre 1997/1998. Dieser Befund kann in keiner Weise befriedigen“, sagte Woidke.

Woidke: „Der Rückgang der Aufklärungsquote 2011 hat sicherlich mit der Umsetzungsphase der Polizeireform zu tun. Wir haben dabei sehr aufs Tempo gedrückt, damit möglichst bald wieder Stabilität in neuen Strukturen einkehrt. Aber es ist klar: Wenn in der heißen Umsetzungsphase der gesamte Apparat der Polizei neu aufgestellt wird und viele Kollegen auf gepackten Umzugskisten sitzen, dann ist das natürlich für die Effizienz der Arbeit alles andere als förderlich. Das spielt eine Rolle und das ist in einer solchen Reform auch unvermeidlich. Das ist einfach so. 2011 war insofern für die Polizei Brandenburg ohne jede Frage ein besonders schwieriges Jahr.“

Der Innenminister verwies in diesem Zusammenhang auf die andererseits durchaus positiven Statistik-Signale, an denen die Polizei mit ihrer Arbeit Anteil habe. So seien beispielsweise Trend und geringe Belastung bei Gewaltdelikten mit einer überproportional hohen Aufklärung von rund 80 Prozent und einem Spitzenplatz im Ländervergleich verbunden. Gleiches gelte für die politisch motivierten Gewaltstraftaten. „Solche Zusammenhänge liegen auf der Hand und sprechen für den besonderen Stellenwert der kriminalpolizeilichen Arbeitsergebnisse“, sagte Woidke. Brandenburgs Kriminalpolizei sei gut ausgebildet und habe motivierte Leute. Das hätte sie mit Ermittlungserfolgen bei vielen spektakulären Straftaten wie erst kürzlich bei der Aufklärung einer schweren Erpressung oder der Festnahme des mutmaßlichen Täters zur Hennigsdorfer Serie von Sprengstoffexplosionen überzeugend nachgewiesen. Jetzt gehe es darum, auch wieder in der Breite zuzulegen.

Diebstahlskurve zum zweiten Mal angestiegen

Das Problem zeige sich beispielsweise bei der zahlenmäßig stets dominierenden Diebstahlskriminalität. Bis 2009 sei ein kontinuierlicher Rückgang zu verzeichnen gewesen, seitdem kletterte die Kurve wieder, im vergangenen Jahr um rund 2.400 auf insgesamt 83.605 Delikte. Die Taten sorgten in unterschiedlichem Maß für Ärger und Beunruhigung. So erfülle beispielsweise der weitere Anstieg von Einbrüchen in Einfamilien-, Reihenhäuser und Bungalows auf den bisherigen Höchststand von rund 3.500 Delikten mit Sorge, wie auch die trotz leichten Rückgangs nach wie vor hohe Zahl von insgesamt knapp 4.000 Kfz-Diebstählen. Auch auf diesem Deliktfeld erreiche die Polizei trotz verschiedener Maßnahmen mit rückläufigen Aufklärungsergebnissen nicht die notwendigen Erfolge. Im vergangenen Jahr wurden nur noch 17,3 Prozent der Kfz-Diebstähle aufgeklärt, „ein ‚historischer’ Tiefststand“, wie es Woidke offen formulierte. Allerdings sei die Zahl der Autodiebstähle in Brandenburg auch erstmals seit Jahren wieder leicht zurückgegangen.

Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, dass sich nicht alle Erfolge in der eigenen Statistik niederschlagen. „Wenn unsere hochmotivierte Soko ‚Grenze’ den in Hessen geklauten BMW auf der A12 stoppen und den Fahrer festnehmen kann, gibt’s für die Brandenburger Diebstahlsstatistik keinen Erfolgsstrich. Trotzdem hat die Brandenburger Polizei einen guten, wichtigen Erfolg gegen die grenzüberschreitende Kriminalität erzielt“, erläuterte Woidke. Er sei deshalb froh, dass sich die Arbeit der speziell eingesetzten Beamten mit einer zunehmenden Zahl derartiger Sicherstellungen und Festnahmen auch länderübergreifend auszahle. Woidke kündigte an, mit dem Polizeipräsidenten bereits in der nächsten Woche auf einer gesonderten Pressekonferenz zur grenzüberschreitenden Kriminalität ausführlich über Lage, Maßnahmen und bisherige Ergebnisse zu informieren.

Polizei stellt sich Entwicklung: Neues Cybercrime - Dezernat am LKA

Wie Woidke erklärte, sei Brandenburgs Polizei sensibilisiert und gut aufgestellt, um auf neue Kriminalitätsphänomene und technische Entwicklungen rechtzeitig zu reagieren. An Bedeutung gewinne dabei wie auch anderswo besonders die Internetkriminalität. Sie werde seit 2004 speziell erfasst und nehme entgegen dem allgemein rückläufigen Trend von Jahr zu Jahr zu. Straftaten unter Computernutzung machen nach der jüngsten Zunahme um rund 900 auf 9.454 Fälle bereits knapp fünf Prozent aller erfassten Straftaten im Land aus und erfordern spezielles fachliches Knowhow bei der Bearbeitung. Deshalb sei mit der Polizeireform am Landeskriminalamt (LKA) im vergangenen Jahr ein spezielles Dezernat ‚Cybercrime’ eingerichtet worden, das als Kompetenzzentrum zentrale Koordinierungs-, Ermittlungs- und Servicestelle sei.

Brandenburgs Polizeipräsident Arne Feuring ging vor der Presse auf zwei jüngste Ermittlungserfolge ein, die das Polizeipräsidium des Landes in besonderem Maße gefordert hätten.

Wichtige Ermittlungserfolge in neuer Polizeistruktur

Bei der Erpressung eines Brandenburger Unternehmers und den Rohrbomben-Anschlägen in Hennigsdorf habe man jeweils mit der Bildung einer Besonderen Aufbauorganisation im Polizeipräsidium bzw. in der Polizeidirektion Nord reagiert und „alle polizeilichen Register gezogen“. Die räuberische Erpressung konnte erfolgreich gelöst und auch die Anschlagsserie aufgeklärt werden. In dem einen Fall waren insbesondere Spezialeinheiten der Fachdirektion Besondere Dienste, in dem anderen Fall Spezialisten des Kriminaltechnischen Instituts der Fachdirektion LKA gefordert. „Entscheidend für den Erfolg war aber letztlich, dass ausnahmslos alle beteiligten Bereiche und Beamten in der neuen Polizeistruktur eng und professionell zusammengewirkt haben. Es hat sich deutlich gezeigt, dass wir organisatorisch und personell gut aufgestellt sind,“ so Brandenburgs Polizeipräsident. Das mache ihn auch zuversichtlich, was die künftigen kriminalpolizeilichen Arbeitsergebnisse im Land betrifft.

Zusammenfassend stellte Woidke fest: „Die PKS 2011 ist eine gemischte Bilanz. Und sie betrifft einen Zeitraum, in der sich die Polizei Brandenburg massiv im Reformstress befand. Ein sehr schwieriges Jahr. Insgesamt ist die Kriminalitätsbelastung in Brandenburg gesunken. Erfreulich ist vor allem der Rückgang der Gewaltkriminalität, aber auch der politisch motivierten Kriminalität. Die größten Probleme bereitet uns die Eigentumskriminalität. Hier ist auch und vor allem die Ursache für die sehr unbefriedigende Aufklärungsquote zu sehen. Manche Probleme haben einen langen Vorlauf. Auf sie haben wir versucht, mit der Polizeireform eine Antwort zu geben. Dies konnte für 2011 noch nicht zum Tragen kommen. Aber ich habe die klare Erwartung, dass wir im kommenden Jahr zu günstigeren Ergebnissen kommen werden.“

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Pressemeldung Nr. 015/2012

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