Verfassungsschutz stellt Analyse potenzieller Täter der Islamistischen Nordkaukasischen Szene vor

Stübgen: „In Brandenburg leben hochradikalisierte nordkaukasische Islamisten, darauf müssen wir dringend reagieren.“

Potsdam

Überregional

Kategorie
Daten und Fakten
Datum
11.06.2024

Der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg hat eine Analysemethode potenzieller Täter der Islamistischen Nordkaukasischen Szene in Brandenburg entwickelt. Das haben Innenminister Michael Stübgen und der Leiter des Verfassungsschutzes, Jörg Müller, heute in Potsdam mitgeteilt.

Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts ist das islamistische Personenpotenzial in Brandenburg deutlich angestiegen. Aktuell befindet es sich auf seinem bisherigen Höchststand, mit etwa 220 islamischen Extremisten. Die Islamistische Nordkaukasische Szene (INS) ist in Brandenburg eine der relevantesten Gruppierungen. Die ideologische Basis der INS ist der Salafismus und der Jihadismus. Diese bilden den geistigen Nährboden für sich schnell radikalisierende Einzeltäter.

Stübgen: „Einzeltäter sind eine enorme Herausforderung für Sicherheitsbehörden – das will ich nicht verhehlen. Sie sind gefährlich, schwer zu identifizieren und können erheblichen Schaden anrichten. Die konsequente Abschiebung von schweren Straftätern ist eine zwingende Notwendigkeit, greift aber zu kurz. Unsere Anstrengung muss der tiefgründigen Analyse islamistischer Szenen gelten. Wenn wir das Umfeld potenzieller Täter frühzeitig identifizieren, können wir durch präventive Maßnahmen dazu beitragen, dass schlimme Straftaten verhindert werden. Dabei braucht es einen Mix aus staatlicher Repression und maßgeschneiderten integrativen Konzepten, die sich der Realität der migrationspolitischen Herausforderungen anpassen.“

In Aufarbeitung der Erkenntnisse der vergangenen Jahre zur INS ist eine „Systematik der acht Gefahrenfelder“ entstanden.

Müller: „Aus den gewonnen Erkenntnissen lassen sich Fallkonstellationen ableiten, die uns als Nachrichtendienst helfen, unsere Aufgabe als Frühwarnsystem wahrzunehmen. Mit der „Systematik der acht Gefahrenfelder“ können wir zum Beispiel schneller das Umfeld von sich radikalisierenden Einzeltätern aufklären und anschließend auch schneller und gezielter Maßnahmen veranlassen.“

Die unmittelbare Gefahr, die von der INS ausgeht, nimmt seit einiger Zeit sowohl qualitativ als auch quantitativ immer weiter zu. Daher will das Innenministerium Brandenburg einen Aufklärungsschwerpunkt auf diese gewaltaffine Szene legen.

Stübgen: „In Brandenburg leben hochradikalisierte nordkaukasische Islamisten, darauf müssen wir dringend reagieren. Die Anzahl der Gefährder und relevanten Personen, sprich polizeilich eingestuften Personen, lag 2023 in Brandenburg im unteren zweistelligen Bereich. Der Großteil davon ist nordkaukasischer Abstammung.“

Zudem steht die nordkaukasische Diaspora unter Einflussnahmeversuchen von salafistischen Akteuren in Gestalt von Online-Predigern, Influencern und Jihadisten aber auch dem Kadyrow-Regime in Grosny. Innerhalb der Diaspora-Gemeinschaften in Brandenburg ist mit einem zunehmenden Personenpotenzial dieser Islamisten zu rechnen.

„Gefährlich ist die Entwicklung der TikTokisierung des Islamismus“, ergänzte Müller. „Seit 2021 haben sich in beachtlicher Geschwindigkeit weitgehend unbekannte Salafisten-Prediger zu islamistischen Influencern entwickelt. Wir beobachten, dass vor allem jüngere INS-Anhänger sich vermehrt zu salafistischen und jihadistischen Inhalten hinwenden. Dies birgt die Gefahr einer unkontrollierten dynamischen Radikalisierung.“

Der Innenminister hob zudem die Bedeutung der regionalen Präventionsarbeit hervor. Staat und Zivilgesellschaft müssen frühestmöglich bei der Radikalisierung in der nordkaukasischen Diaspora wie ein Zahnrad ineinandergreifen. Erfolgreiche Projekte der Prävention sollten gefördert und als Vorbild genommen werden. Die Integration der hier lebenden Nordkaukasier sei das wichtigste Gegenmittel gegen Radikalisierung.

Der brandenburgische Verfassungsschutz hat in Aufarbeitung der Erkenntnisse der vergangenen Jahre zur Islamistischen Nordkaukasischen Szene in Brandenburg feste und messbare Kriterien identifiziert und beschreibt diese als „Systematik der acht Gefahrenfelder“

Die Gefahrenfelder sind:

 

1)            Zunehmende Online-Radikalisierung jüngerer INS-Anhänger

2)            Zunehmende Orientierung am globalen Jihadismus

3)            Hinwendung der INS zu anderen islamistischen Strömungen in Deutschland im Zuge gesellschaftspolitischer Konflikte

4)            Terrorismusfinanzierung

5)            Abstrakte Gefahr durch Rückkehrer aus Kampfgebieten

6)            Vermischung krimineller und islamistischer Strukturen

7)            Interne Konflikte in der Diaspora in Deutschland

8)            Zunehmendes Personenpotenzial der INS

 

Jedes Gefahrenfeld an sich gab es schon, der Mehrwert der Analysemethode ist, dass Prinzipien hinterlegt sind, die es ermöglichen, das Grau-Feld einzugrenzen und so eine höhere Treffsicherheit zu erhalten. Die Kriterien sind mit konkreten Fakten belegt, aus denen sich Fallkonstellationen ableiten lassen. Das hilft dabei schneller und gezielter präventive Maßnahmen zu veranlassen. 

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