Seit vielen Jahren setzen sich ECPAT Deutschland und die Polizei zusammen mit anderen Partnern gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus durch deutsche Reisende ein. Gerade in der Haupturlaubszeit weisen sie auf Meldemöglichkeiten hin, über die jeder Reisende Verdachtsmomente oder Straftaten melden kann. Mit Erfolg: Es werden immer mehr Fälle bekannt.
Die im Auftrag von ECPAT erstellte Studie "Viele Fälle – wenig Verurteilungen!" unterstreicht die ersten Erfolge der online Meldemöglichkeit unter www.nicht-wegsehen.net. In den ersten anderthalb Jahren seit der Schaltung der Seite sind 58 Meldungen eingegangen, bei 29 Meldungen handelte es sich um Kindeswohlgefährdungen aufgrund von Gewalteinwirkung. Der begründete Verdacht auf sexuelle Ausbeutung Minderjähriger war in 21 Fällen gegeben. Davon handelte es sich bei knapp der Hälfte um Vorkommnisse mit Auslandsbezug mit deutschen Reisenden oder Touristen als Täter.
"Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist eine Straftat. Und zwar weltweit", sagt Gerhard Klotter, Vorsitzender der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. "Täter aus Deutschland können für ihre im Ausland begangenen Taten auch in Deutschland angeklagt und verurteilt werden. Deswegen ist es entscheidend, dass Reisende ihre auffälligen Beobachtungen melden und damit eine Strafverfolgung von reisenden Sexualstraftätern ermöglichen."
Bevor die Meldeplattform www.nicht-wegsehen.net im Jahr 2014 eingerichtet wurde, erreichten ECPAT nur zwischen fünf und zehn Meldungen pro Jahr. Gründe für die nun gestiegene Hinweisbereitschaft ist die verstärkte Sensibilisierung von Reisenden und die Bewerbung der schnell zugänglichen und anonymen Meldemöglichkeit über Plakatkampagnen an Flughäfen, Bahnhöfen, Inflight Spots und diesjährig auch in Bürgerämtern, in denen Reisende beispielsweise ihre Reisepässe verlängern.
Neben der Zunahme von Meldungen zeigt die aktuell erschienene ECPAT-Studie die Lücken in der Strafverfolgung bei Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Ausland durch deutsche Täterinnen und Täter auf. Bundesweit wurden Gerichte sowie alle Landeskriminalämter angeschrieben, 150 Stellen meldeten sich darauf zurück. Die Abfrage ergab 38 Gerichtsverfahren gegen deutsche Tatverdächtige in den vergangenen zehn Jahren. Von den gemeldeten Verfahren endeten nicht alle mit einer Verurteilung. Auch wurde in keinem der Fälle eine Entschädigungsleistung an die betroffenen Kinder entrichtet. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die genaue Anzahl der Verfahren konnte nicht ermittelt werden, da Straftaten mit Auslandsbezug bislang an keiner Stelle systematisch erfasst werden. "Ermittlungen bei dieser Art der grenzübergreifenden Kriminalität stellen für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Daher ist jede einzelne Verhaftung und Verurteilung eines reisenden Sexualstraftäters als großer Erfolg zu betrachten", betont die Autorin der Studie Dr. Dorothea Czarnecki von ECPAT Deutschland.
Ermittlungen können an einfachen Faktoren wie langen diplomatischen Geschäftswegen, Sprachbarrieren, Aufenthaltsbestimmungsrechten von minderjährigen Tatopfern, mangelndem Bewusstsein von Richterinnen und Richtern oder unterschiedlichen Standards der Beweissicherung im Gastland scheitern. Auch verschiedene Vorschriften zur Vernehmung von Kindern sowie die Zeitspanne zwischen Tat und Verfahren können die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Opferzeuginnen und -zeugen beeinträchtigen.
Deswegen setzen sich die Polizei und ECPAT durch die Bekanntmachung der Meldemöglichkeiten unter www.nicht-wegsehen.net dafür ein, dass alle Kinder weltweit vor sexuellem Missbrauch geschützt werden und Zugang zum Rechtsweg haben. Dafür müssen Fälle bekannt werden, damit Täter und Täterinnen sich nicht länger sicher fühlen können.
So können Sie Ihre Beobachtungen melden:Wenn Sie Auffälliges beobachten, zögern Sie nicht, dies zu melden. Unter www.nicht-wegsehen.net können Sie Ihre Verdachtsmomente weltweit unabhängig von den Kenntnissen der jeweiligen Landessprache schnell, einfach und wenn gewünscht anonym mitteilen.
Auffällige Situation?
Sie haben auffällige Situationen beobachtet, in denen Kinder gefährdet sein könnten, doch Sie sind sich nicht sicher, ob dies bereits als eine Straftat gilt? Auf der Internetseite können Sie Ihre Beobachtung der Kinderschutzorganisation ECPAT mitteilen. Jede Meldung trägt dazu bei, Kinder gezielter vor Ausbeutung und sexueller Gewalt zu schützen.
Straftat?Sie haben eine Straftat beobachtet? Ihre Meldung wird über die Internetseite direkt an das Bundeskriminalamt weitergeleitet. Die Experten des BKA unterziehen Ihre Meldung einer ersten sorgfältigen Auswertung und kontaktieren Sie bei Nachfragen. Informationen, die als rechtlich relevant erachtet werden, gehen weiter an die zuständigen Landeskriminalämter oder - bei internationalen Fällen - an Interpol/Europol.
Nähere Informationen über die Studie "Viele Fälle – wenig Verurteilungen! Sexuelle Ausbeutung von Kindern im Ausland durch deutsche TäterInnen. Recherchen in Deutschland, Kambodscha und Vietnam" erhalten Sie unter: www.ecpat.de.
Weitere Informationen zum Thema Kindesmissbrauch finden Sie im Faltblatt "Kleine Seelen, Grosse Gefahr...": Das Faltblatt ist kostenlos bei jeder Polizeilichen Beratungsstelle erhältlich oder kann hier heruntergeladen werden.
Quelle: Pressemeldung der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes vom 19.07.2016